Jesus steigt den Berg herab, um bei den Menschen zu sein, die ihn aufsuchen, sehen und hören wollen. Die aus seinen Worten eine neue Hoffnung für ihr Leben schöpfen möchten. Sie kommen aus Judäa, Jerusalem und den Küstengebieten, um bei ihm zu sein. Doch was bewegte die Menschen damals, diesen beschwerlichen Weg auf sich zu nehmen? Was gibt ihnen die absolute Gewissheit, dass sie Jesus überhaupt zu sehen bekommen? Ist es die frohe Botschaft über die Person Jesu, die man sich überall im Land mehr und mehr erzählt, die in ihren Herzen eine Begeisterung auslöst? Vielleicht hoffen sie auf die Heilung ihrer körperlichen und seelischen Leiden, und somit auf ein Wunder? Oder war es auch nur die ganz banale menschliche Neugier, die sie angetrieben hat?
Aber im Grunde ist es auch gleich, warum sie sich auf den Weg gemacht haben, denn für mich zählt allein, dass sie sich auf den Weg machten, um Jesus persönlich zu erleben, seine kraftvollen und tröstenden Worte zu hören und die tiefe innere Erfahrung machen zu dürfen, dass da jemand ist, der zu ihnen herunterkommt, der sich zu ihnen hinunterbeugt und ganz für sie da ist.
"In jener Zeit stieg Jesus mit den Zwölf den Berg hinab." Man könnte auch sagen, dass Jesus nicht abgehoben, fern jeder Lebenswirklichkeiten in einem Elfenbeinturm lebte oder gar in einer eigenen abgeschlossenen Welt. Nein, er kommt zu den Menschen, wartet nicht, bis sie den Berg hinaufsteigen, und demutsvoll oder unterwürfig darum bitten ihn sehen zu dürfen. Jesus nimmt an den Lebenswirklichkeiten der Menschen teil, und gleichzeitig weiß er, dass dies nur geschehen kann, wenn er eben mitten unter ihnen ist.
Was für ein Sinnbild für den Zustand unserer Kirche in diesen Tagen! Haben wir nicht oft als "Volk Gottes", als Christinnen und Christen den Eindruck, dass die Verantwortlichen in unserer Kirche ziemlich entrückt sind von den wahren Herausforderungen, Sehnsüchten und Wirklichkeiten der ihnen anvertrauten Menschen? Nehmen wir Führung und Leitung in unserer Kirche nicht so oft als unbarmherzig, unmenschlich und letztlich weltfremd wahr?
Dabei macht es uns der wahre "Chef" doch vor! Er steigt den Berg hinab zu den Menschen, und die Zwölf nimmt er gleich mit. Man könnte auch sagen, er erteilt ihnen eine Lektion, wie man Menschen begeistert, gewinnt und letztlich seelsorgerisch begleitet. Seid mitten unter den Menschen, beugt euch zu denen, die ganz am Boden liegen und steigt herab zu den Verzweifelten mit ihren unterschiedlichen Lebens- und Wertevorstellungen. Lasst sie nicht allein und wartet nicht, bis sie zu euch kommen. Holt sie ab, bleibt in Bewegung. Werdet nicht dogmatisch, selbstgerecht und träge in euren ganz persönlichen Elfenbeintürmen, auf euren ganz persönlichen Bergen.
"In jener Zeit stieg Jesus mit den Zwölf den Berg hinab." Was für eine Chance für die Verantwortlichen in unserer Kirche, aber auch für jede Christin und jeden Christen in dieser Zeit, in der unsere Kirche so sehr schwankt, da zu viele Verantwortliche selbstgerecht und abgehoben weggeschaut haben, nicht mehr ihre lebensfernen Welten verlassen wollten oder schlicht die ihnen anvertrauten Menschen in ihren Lebenswirklichkeiten übersehen haben. Hören wir auf Jesus, steigen wir den Berg hinab und machen wir mutig vieles in unserer Kirche anders, besser und neu, ohne alles aufzugeben, was sich in der Vergangenheit bewährt hat.
Ich wünsche Ihnen und Euch, auch im Namen des gesamten Pastoralteams, einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche.
Ihr / Euer Kaplan Kai Amelung