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Buch

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Datum:
17. Aug. 2023
Von:
Yvonne Werheid

Liebe Mitchristen,

alle vier Evangelien sind in Teilen unterschiedlich, in allen vier Texten gibt es Berichte, die es so nur dort gibt. Gleichzeitig gibt es natürlich auch viele inhaltliche Übereinstimmungen. Am zentralsten sieht man dies in den Beschreibungen um das Geschehen der Kar- und Ostertage. Hier geht es um den Kern des christlichen Glaubens – um Tod und Auferstehung, da sind sich alle einig. 

Unterschiedlich ist hingegen z.B. der Beginn der Evangelien. Bei Johannes beginnt alles mit der philosophischen Betrachtung „Im Anfang“, Lukas stellt sich zunächst einmal selbst vor, um dann von Johannes, Elisabet, Maria und schließlich der Geburt Jesu‘ im Stall zu berichten, Markus beginnt gleich mit dem taufenden Johannes und Matthäus schließlich eröffnet mit dem „Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“ (Mt 1,1) und der Aufzählung von Jesu‘. Wir dürfen davon ausgehen, dass diese Anfänge nicht zufällig entstanden, sondern sehr bewusst von den Autoren verfasst wurden. Der Beginn eines Textes soll neugierig auf den weiteren Verlauf machen. Gleichzeitig ist er in einer Zeit und an einem Ort fest verankert. Texte im 21. Jahrhundert beginnen nun einmal in der Regel anders als Texte des 16. Jahrhunderts. Und natürlich ist auch nicht jede Textart inhaltlich gleich aufgebaut. Ein Brief baut sich anders auf als ein Roman oder die Produktbeschreibung eines neuen Schokoriegels auf dessen Verpackung. 

In den Anfängen der Evangelien lässt sich sehr gut erkennen, an welche Leserschaft sie sich wenden wollen. Keiner der Autoren konnte wissen, dass sein Text noch 2000 Jahre später in allen möglichen Sprachen gelesen werden würde. Matthäus schreibt anscheinend an Menschen, für die es wichtig ist, wer Jesu Vorfahren waren, dass er aus dem „Geschlechte Davids“ stammt. Es sind frühe Juden-Christen (als Entstehungsjahr vermutet man 80 n.Chr.), die immer noch fest im jüdischen Glauben verwurzelt sind und im Nahen Osten leben. Jemand aus dem Geschlecht Abrahams und Davids genoss bei ihnen gesellschaftlich hohes Ansehen! Diese Verwurzelung der ursprünglichen Leserschaft (und vermutlich auch des Autors) im jüdischen Glauben sorgt dann auch dafür, dass das Matthäus-Evangelium von uns Menschen des 21. Jahrhunderts oft als „dunkel und hart“ wahrgenommen wird, da es viele Sprachbilder des strengen jüdischen Glaubens seiner Zeit aufgreift - so auch im heutigen Evangeliums-Text. Eine Frau bittet Jesus um etwas und er ignoriert sie einfach. Schlimmer noch: er ignoriert sie, weil sie eine „Andere“ ist. Die Frau gibt aber nicht auf, denn ihr Glaube an Jesus ist groß, und so lenkt er schließlich ein und hilft ihr. Losgelöst aus seinem Kontext verwirrt dieser Textauszug heutzutage vielleicht den ein oder anderen, weshalb es wichtig ist ihn immer wieder auch im „Großen und Ganzen“ zu lesen. Herzlich lade ich Sie dazu ein, einmal das Matthäus-Evangelium komplett und am Stück zu lesen.

Mit biblischen Grüßen, Armin Wirth, GR.