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Kleine Bibliothek

kleine Bibliothek
Datum:
11. Mai 2023
Von:
Yvonne Werheid

Liebe Leserinnen und Leser!

„Wer hat eigentlich die Bibel geschrieben?“ fragte mich neulich eines der Kommunionkinder. Es ist schon etwas älter als die anderen und ziemlich aufgeweckt. Also habe ich erklärt, dass die Bibel eigentlich kein Buch, sondern eine kleine Bibliothek aus 72 Büchern ist, die über einen langen Zeitraum hinweg entstanden sind. 

Da fragt mich dieses Kind: „Kann es dann nicht sein, dass sich jemand falsch erinnert hat, was Jesus gesagt hat und beim Aufschreiben Fehler passiert sind?“

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, als ich das verstanden habe, vielleicht 18, 19 oder erst im Theologiestudium. Jedenfalls hat es mich damals verunsichert. Und es war ein langer Weg bis zu dem entspannten Bibelstudium, das ich heute habe. Nein, die einzelnen Wörter sind nicht von Gott diktiert, aber es ist doch insgesamt das von Gott inspirierte Wort. 

In diesen Wochen muss ich besonders daran denken, weil wir aus den Abschiedsreden Jesu nach Johannes lesen. In diesen Aussagen Jesu über sich selber wiegt jedes Wort schwer, und wir neigen dazu, sie auch so zu lesen. An diesem Sonntag hören wir z.B.: „Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.“ Das ist wunderbar, tief, mystisch!

Ich weiß nicht, ob Jesus das tatsächlich wörtlich so gesagt hat. Aber Johannes überliefert diese Aussage mehrfach in ähnlicher Form, in verschiedenen Bildern. So nehme ich sie mit in mein Gebet und spüre ihr nach – und mache die Erfahrung, dass es stimmt.

Karl Rahner schrieb schon 1966 in der Zeitschrift „Geist und Leben“: „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“ So glaube ich auch, dass wir Christen heutzutage eher mit Gebet und Meditation weiterkommen als mit dem puren Verstand. Natürlich wollen und sollen wir so viel wie möglich untersuchen und verstehen, doch unser Denken erweist sich halt immer wieder als arg begrenzt. Wenn wir es aber wagen und einen Schritt weitergehen, können wir Ungeahntes entdecken.

Mit unbegrenzten Grüßen

Ihre Sr. Barbara