Von Giftschlangen und Gejammer

Liebe Leserinnen und Leser!
An Apotheken sieht man sie manchmal: die Schlange, die sich um einen Stab ringelt. Es könnte der Äskulapstab sein, aus der griechischen Mythologie, aber das Motiv ist noch älter, mindestens 2.500 Jahre: es kommt schon im Buch Numeri unseres Alten Testamentes vor. Dort wird ausführlich erzählt, wie Mose das Volk Israel durch die Wüste führt. Es ist ein ständiges Hin und Her: das Volk jammert und wendet sich von Gott ab, dann wird es bestraft und kehrt jammernd zu ihm zurück, nur um wenig später wieder rückfällig zu werden. Ehrlich gesagt finde ich dieses Buch etwas anstrengend.
Die Stelle, die wir an diesem Sonntag hören, ist also die mit der Schlange: die Israeliten jammern – wie gesagt – über das schlechte Essen, und Gott schickt zur Strafe Giftschlangen. Das ist dem Volk verständlicherweise auch wieder nicht recht, und sie flehen um Hilfe. Anstatt dass Gott die Schlangen jetzt aber verschwinden lässt, gibt er dem Mose die Anweisung, eine Kupferschlange an einer Stange aufzuhängen. Jeder, der sie nach einem Schlangenbiss ansieht, wird am Leben bleiben. Mose tut es, es funktioniert.
Solche archaischen Geschichten mit einem noch recht launischen Gott sind mir fremd. Sie regen mich aber auch nicht besonders auf, es ist halt ein wirklich alter Text. Allerdings wird das Motiv mit der Schlange dann noch einmal im Johannesevangelium zitiert – als Vergleich zu Jesus, der (am Kreuz) erhöht wurde! Und das ist für uns Christen dann schon eher relevant. Da heißt es:
Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.
Was will der Evangelist damit sagen? Sind wir etwa das ewig jammernde und von Giftschlangen bedrohte Volk, verloren in der Wüste, und Jesus ist die einzige Rettung? Im Grunde ja: auch ganz ohne Giftschlangen sind wir alle dem Tode geweiht. Und oft genug kommen sich Christen verloren vor in dieser Welt, die so wenig vom Glauben weiß oder wissen will, in diesem „Jammertal“, wie man früher sagte.
Gott wurde in Jesus Christus Mensch, und damit bietet er uns Leben an: sinnerfüllt und über den Tod hinaus. Und warum? Weil Gott „die Welt so sehr geliebt“ hat. So gesehen wird das uralte Bild dann doch überraschend aktuell.
Herzliche Grüße