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„Diener des Wortes“

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Datum:
23. Jan. 2025
Von:
Winfried Kissel, Pfr.

Liebe Leserinnen und Leser,

an diesem Sonntag hören wir die ersten vier Verse des Lukasevangeliums. Lukas weist in diesen Zeilen darauf hin, dass seine Schrift sich aus der gelebten Tradition, der mündlichen Überlieferung all jener Ereignisse und Erzählungen derer speist, die von Anfang an Augenzeugen und „Diener des Wortes“ waren, also Jesus gekannt, vielleicht sogar begleitet haben. 

Von Jesus Christus wissen wir heute nur, weil Menschen das, was sie mit Jesus erlebt haben, weitererzählt haben und Aussprüche Jesu, Gleichnisse und Erzählungen in schriftlichen Fragmenten und Sammlungen festgehalten haben. Daraus speisen sich die Evangelien. 

Die Leseordnung fügt den ersten vier Versen des Evangeliums dann einen Ausschnitt des vierten Kapitels an, in dem Lukas davon berichtet wie Jesus in seine Heimatstadt Nazareth kommt, am Sabbat in die Synagoge geht und man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja gibt, damit er daraus vorlese.

Jesus stößt auf folgende Worte des Propheten, er zitiert sie: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 4,18-19)

Wenn bei Jesaja vom „Gnadenjahr des Herrn“ die Rede ist, wird auf eine festliche Tradition Israels, nämlich auf die Ausrufung des großen Erlassjahres bzw. Jubeljahr angespielt (vgl. Lev 25,10.13; Dtn 15,1), nach der es aus sozialen Gründen immer wieder nötig war, Schulden zu erlassen, Menschen aus dem Gefängnis zu entlassen, Sklaven frei zu lassen, Grundbesitz neu zu verteilen und so den durch Ungerechtigkeit benachteiligten Menschen einen Neuanfang zu schenken. Es wurde alle 50 Jahre abgehalten.

In Anlehnung daran gibt es seit 1300 n.Chr. in unserer Kirche den Brauch in regelmäßigen Abständen ein Heiliges Jahr auszurufen. Dem eigentlichen Sinn dieses Jahres käme unsere Kirche wohl näher, wenn sie den Ablass nicht nur auf den Nachlass von zeitlichen Sündenstrafen bezöge, sondern auch auf Abschaffungen von Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen von Gläubigen z.B. hinsichtlich der Sakramentenpastoral. Darüber habe ich bisher in den kirchlichen Verlautbarungen nichts lesen können.

Ihnen allen einen gesegneten Sonntag,

 ihr

Winfried Kissel, Pfr.